Mietrecht
16. Juni 2025
Manchmal können die Parteien das Datum des Mietbeginns bei Vertragsschluss nicht genau abschätzen, etwa wenn noch auf eine erforderliche Bau- oder Nutzungsgenehmigung gewartet wird. In diesen Fällen wird der Mietbeginn oft an eine Bedingung geknüpft, nämlich den Erlass der öffentlich-rechtlichen Genehmigung.
Aber was gilt eigentlich in der Zeit zwischen Vertragsschluss und Mietbeginn? Können sich die Parteien von dem Mietvertrag vor Beginn der vereinbarten Festlaufzeit lösen? Und wenn ja, mit welcher Frist?
Zu dieser, gar nicht so außergewöhnlichen, Situation hat der BGH (Urteil vom 12.03.25 – XII ZR 76/24) kürzlich eine sehr interessante Entscheidung getroffen.
Der Fall
Die Parteien haben im Jahre 2017 einen Mietvertrag über eine Freifläche zur Errichtung einer Windenergieanlage geschlossen. Die Vertragslaufzeit soll 20 Jahre ab Mietbeginn betragen. Der Beginn des Mietverhältnisses soll unter der Bedingung der Erteilung einer entsprechenden immissionsschutzrechtlichen Genehmigung stehen. Unter anderem sieht der Vertrag ein Rücktrittsrecht für beide Parteien vor, wenn die Genehmigung nicht innerhalb von 5 Jahren nach Vertragsschluss erteilt wird.
Im Jahr 2022 – die behördliche Genehmigung liegt noch nicht vor – kündigt der Vermieter den Mietvertrag ordentlich mit gesetzlicher Frist (§ 580a II BGB: 6 Monate zum Ablauf eines Quartals). Der Mieter widerspricht der Kündigung und möchte am Vertrag festhalten.
Das OLG Naumburg nimmt ein ordentliches Kündigungsrecht (der Parteien) vor Beginn der vereinbarten Festlaufzeit an.
Die Entscheidung des LG Hamburg
Der BGH teilt die vorstehende Rechtsauffassung des OLG Naumburg.
Dabei differenziert der BGH: Sofern die Parteien den Mietbeginn an den Eintritt einer Bedingung knüpfen, hängt die Möglichkeit der Kündigung während der Schwebezeit davon ab, ob die Parteien lediglich den Zeitpunkt des Bedingungseintritts als ungewiss ansehen oder den Bedingungseintritt an sich als ungewiss ansehen.
Gehen die Vertragsparteien bei Vertragsschluss davon aus, dass die Bedingung sicher eintreten wird und nur der Zeitpunkt des Bedingungseintritts ungewiss ist, ist eine Befristung gem. § 163 BGB anzunehmen, was zur Folge hat, dass eine ordentliche Kündigung bis zum Beginn der vereinbarten Laufzeit ausgeschlossen ist. Wenn aus Sicht der Vertragsparteien bei Vertragsschluss allerdings sogar der Eintritt der Bedingung selbst als ungewiss angesehen wird, ist eine aufschiebende Bedingung gem. § 158 I BGB anzunehmen, was dazu führt, dass der Vertrag innerhalb des Schwebezeit ordentlich mit gesetzlicher Frist gekündigt werden kann.
Im vorliegenden Falle war aus dem vereinbarten Rücktrittsrecht zu schließen, dass die Parteien die Erteilung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung als ungewiss angesehen haben, weshalb der Vertrag während der Schwebezeit ordentlich gekündigt werden konnte.
Fazit
Die Kündbarkeit des Vertrages während der Schwebezeit hängt also davon ab, ob die Parteien den Bedingungseintritt sicher erwarten (dann keine ordentliche Kündbarkeit) oder den Bedingungseintritt insgesamt als ungewiss ansehen (dann ordentliche Kündbarkeit).
In der Vertragsgestaltung sei also empfohlen, sofern dies nicht offensichtlich unzutreffend ist, die vorgenannten Erwartungen in Hinblick auf den Bedingungseintritt zum Vertragsgegenstand zu machen, um die ordentliche Kündigungsmöglichkeit während der Schwebezeit zu eröffnen – oder nicht. Auch wenn dies natürlich keine absolute Sicherheit gewährleistet, kann auf diese Weise zumindest ein Indiz für die (eine oder andere) Sichtweise der Parteien geschaffen werden.
Mit der Verwendung des generischen Maskulinums sind zur sprachlichen Vereinfachung und besseren Lesbarkeit stets Personen oder Personengruppen aller Geschlechter (männlich, weiblich und divers) gemeint.