Mietrecht
14. Juli 2023
Das Thema klingt etwas schwer verdaulich, ist aber dennoch von höchster praktischer Relevanz.
Im Jahre 2018 hat der u.a. für das Werkvertragsrecht zuständige VII. Senat des BGH entschieden, dass der Auftraggeber von Werkleistungen keine fiktiven Mängelbeseitigungskosten geltend machen kann, wenn er den bestehenden Mangel gar nicht beseitigt (Urteil vom 22.02.2018 – VII ZR 46/17). Drei Jahre später entschied der u.a. für das Wohnungseigentumsrecht zuständige V. Senat des BGH, dass beim Kauf einer Eigentumswohnung die Geltendmachung von fiktiven Mängelbeseitigungskosten durchaus möglich sei (Urteil vom 12.03.2021 – V ZR 33/19). Es liegt auf der Hand, dass in der Folgezeit auch für das Mietrecht rege Diskussionen entbrannten, in denen sich die Parteien, je nach Interessenslage, auf die eine oder andere Entscheidung beriefen.
Nunmehr hat sich der u.a. für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Senat des BGH, unter Betätigung seiner bisherigen Rechtsprechung, ausdrücklich der zweiten Auffassung angeschlossen und die Geltendmachung von fiktiven Mängelbeseitigungskosten als möglich angesehen (Urteil vom 19.04.2023 – VIII ZR 280/21).
Der Fall
Nach Mietvertragsende wird die Mietsache zurückgegeben und der Vermieter stellt diverse Mängel fest, die der Mieter nicht beseitigt. Im Einzelnen geht es um Schadensersatzansprüche wegen unterlassener Schönheitsreparaturen und wegen Beschädigungen der Mietsache. Der Vermieter macht aufgrund eines Kostenvoranschlages Kosten in Höhe von € 7.961,35 geltend.
Amts- und Landgericht haben die Klage des Vermieters mit der Begründung abgewiesen, dass im Mietrecht eine fiktive Schadensberechnung nicht möglich sei.
Die BGH-Entscheidung
Der BGH hebt das Urteil des Landgerichts auf und verurteilt den Mieter zur Zahlung des Schadensersatzes.
Die für das Werkvertragsrecht angestellten Erwägungen beruhten auf den Besonderheiten jenes Rechtsgebietes, bei dem auch der Wert des mangelhaften Werkes zu berücksichtigen sei. Die im Werkvertragsrecht denkbare Gefahr einer Überkompensation zugunsten des Bestellers sei im Mietrecht nicht zu befürchten. Denn hier könne der Geschädigte (Vermieter) eben nur die zur Erfüllung der Leistungspflicht des Mieters erforderlichen Kosten beanspruchen.
Fazit
Im Mietrecht bleibt die Geltendmachung von fiktiven Mängelbeseitigungskosten weiterhin zulässig.
Ein Vermieter kann Schadensersatzansprüche gegen den Mieter – unter Beachtung der 6-Monatsfrist des § 548 I BGB! – weiterhin auf Basis von Kostenvoranschlägen geltend machen.
Auch wenn diese Entscheidung zum Wohnraummietrecht ergangen ist, sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass die Rechtslage im Gewerberaummietrecht anders sein könnte.
Mit der Verwendung des generischen Maskulinums sind zur sprachlichen Vereinfachung und besseren Lesbarkeit stets Personen oder Personengruppen aller Geschlechter (männlich, weiblich und divers) gemeint.
Source
Bundesgerichtshof, 22.02.2018, VII ZR 46/17
Bundesgerichtshof, 12.03.2021, V ZR 33/19
Bundesgerichtshof, 19.04.2023, VIII ZR 280/21