Mietrecht
26. Januar 2022
Bekanntlich mussten im Zuge der behördlich angeordneten Lockdowns aufgrund der Corona-Krise viele Gewerbetreibende ihre Ladenlokale schließen. Die unterschiedlichen Positionen der Mietvertragsparteien liegen auf der Hand: Während der Mieter für den betroffenen Zeitraum am liebsten keine Miete zahlen möchte, wendet der Vermieter in der Regel ein, dass er ja nichts für den Lockdown könne und ein Wegfall der Mietzahlungspflicht daher unangemessen sei. Nachdem die diesbezügliche Rechtsprechung der Instanzgerichte bislang naturgemäß uneinheitlich war, hat sich am 12.01.2022 der u.a. für das Gewerberaummietrecht zuständige XII. Senat des BGH zu dieser Frage geäußert.
Der Fall
Zwischen den Parteien besteht ein Gewerberaummietvertrag über Flächen zum Betrieb eines Ladengeschäfts für Textilien aller Art sowie Waren des täglichen Ge- und Verbrauchs. Aufgrund einer behördlichen Allgemeinverfügung zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie musste der Mieter das Ladengeschäft vom 19.03.2020 bis zum 19.04.2020 schließen und entrichtete daher für den Monat April 2020 keine Miete.
In erster Instanz wurde der Mieter zur Zahlung der vollen Miete verurteilt. Die Berufungsinstanz hob das erstinstanzliche Urteil auf und entschied, dass während der behördlich angeordneten Schließung die Miete aufgrund einer Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 I BGB) um 50% zu reduzieren sei.
Die BGH-Entscheidung
Zunächst hat der BGH (Urteil vom 12.01.2022 – XII ZR 8/21) festgestellt, dass der Lockdown keine Mietminderung begründen könne, da die Mietsache selbst, insbesondere deren konkrete Beschaffenheit, deren Zustand und deren Lage, keinen Mangel aufweist. Vielmehr knüpft die mit der Schließungsanordnung zusammenhängende Gebrauchsbeschränkung an den Geschäftsbetrieb des Mieters an.
Jedoch soll im Falle der Geschäftsschließung aufgrund einer hoheitlichen Maßnahme zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie grundsätzlich ein Anspruch des Mieters von gewerblich genutzten Räumen auf Anpassung der Miete wegen Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 I BGB in Betracht kommen. Dem liegt die Erkenntnis zugrunde, dass sich durch die COVID-19-Pandemie und die damit verbundenen weitreichenden Beschränkungen des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens die Geschäftsgrundlage des zwischen den Parteien abgeschlossenen Mietvertrag schwerwiegend geändert hat.
Auch wenn eine pandemie-bedingte Schließung über das übliche Verwendungsrisiko des Mieters (d.h. Chance der Gewinnerzielung) hinausgeht, bedeutet das aber nicht, dass einem Mieter in jedem Falle ein Anspruch auf Mietanpassung für diesen Zeitraum zusteht.
Vielmehr ist immer eine umfassende Abwägung sämtlicher Umstände des Einzelfalls erforderlich. Dabei sind auf Mieterseite seine konkreten Nachteile durch die Geschäftsschließung (insbesondere deren Dauer), eventuelle finanziellen Vorteile (z.B. aus staatlichen Unterstützungsleistungen) sowie denkbare Leistungen einer einstandspflichtigen Betriebsversicherung zu berücksichtigen. Aber auch die Interessen des Vermieters sind in den Blick zu nehmen.
Eine pauschale „Halbe-Halbe-Betrachtungsweise“ wird den Anforderungen an das gesetzliche Institut der Störung der Geschäftsgrundlage nicht gerecht.
Fazit
Wie auch schon von mehreren Oberlandesgereichten in jüngerer Vergangenheit entschieden, kommt es bei der Beurteilung der Auswirkung der Störung der Geschäftsgrundlage auf die individuellen Umstände des Einzelfalls an. Allerdings schiebt der BGH der sehr verbreiteten Praxis der Untergerichte einen Riegel vor, jeden Einzelfall dann doch letztlich „individuell“ mit 50:50 zu bewerten.
Angesichts der Unwägbarkeiten, die naturgemäß mit einer Analyse des Einzelfalls für beide Seiten verbunden sind, ist es selbstverständlich weiterhin sinnvoll, sich außergerichtlich zu einigen – und warum dann nicht auf Basis 50:50?
Source
Bundesgerichtshof, 12.01.2022, XII ZR 8/21